Lüders Marie-Elisabeth
Marie-Elisabeth Lüders, geboren 1878, promoviert 1912 als erste Frau Deutschlands in den Staatswissenschaften.
Hintergrund
Obschon Frauen nach der Weimarer Reichsverfassung gleichberechtigt sind, sieht die Realität anders aus: Frauen sind nach wie vor rechtlich und faktisch benachteiligt. Die Leistungen von Marie-Elisabeth Lüders tragen wesentlich dazu bei, diese faktischen Benachteiligungen zu beseitigen.
Lüders studiert Nationalökonomie und belegt dabei auch einige juristische Vorlesungen. Als erste Frau Deutschlands promoviert sie 1912 in den Staatswissenschaften. Die Frauenbewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts weckt in ihr ein profundes Interesse an politischen und sozialen Fragen. Ihrem Tatendrang folgend gründet sie mehrerer Frauenverbände, in denen sie aktiv mitwirkt. In ihrer beruflichen Laufbahn hat sie verschiedene Leitungsfunktionen inne, was für eine Frau zu dieser Zeit durchaus aussergewöhnlich ist. Sie bekleidet sozialpolitische Ämter in der Kriegsfürsorge, in der Sozialabteilung der Zivilverwaltung und in der Frauenarbeitszentrale des Kriegsministeriums. Rund zehn Jahre lang gehört Lüders als eine der wenigen Frauen dem Reichstag an und leistet dort wichtige politische Arbeit. Die Zulassung von Frauen zum juristischen Beruf in Deutschland ist unter anderem ihrem Engagement zu verdanken. Ebenso die Ausarbeitung des Jugendwohlfahrtsgesetzes von 1922. Lüders, selbst unverheiratet und alleinerziehende Mutter, kämpft im Reichstag für eine bessere Rechtsstellung unehelicher Kinder.
In den 1930er Jahren übt sie scharfe Kritik an der frauenfeindlichen Haltung der aufstrebenden NSDAP, was mit einem Berufs-, Rede- und Publikationsverbot sanktioniert wird. Als Lüders 1937 gar mehrere Monate von der Gestapo inhaftiert wird, löst dies heftige Proteste internationaler Frauenverbände aus, woraufhin sie aus der Haft entlassen wird. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs nimmt sie ihr politisches Engagement wieder auf und wird 1948 zur Stadträtin von Berlin gewählt. Auch im fortgeschrittenen Alter setzt sie sich im Rechtsausschuss des Bundestags unermüdlich für die Gleichberechtigung ein. Insbesondere an der Ausarbeitung des Gleichberechtigungsgesetzes von 1957 ist sie massgeblich beteiligt. Der darin vorgesehene "Stichentscheid" des Ehemannes in Fragen des ehelichen Zusammenlebens widerspricht Lüders' Haltung völlig. Dagegen klagt sie erfolgreich vor dem Bundesverfassungsgericht. Die Sozialpolitikerin und Frauenrechtlerin lebt bis zu ihrem Tod 1966 zurückgezogen in Berlin.
(Quellen: Digitales Deutsches Frauenarchiv, Lemo, Wikipedia; Bildquelle: Wikipedia)
Lebensstationen
- 1878 geboren in Berlin
- 1912 Promotion in den Staatswissenschaften an der Universität Berlin
- 1914-1915 Leiterin der Charlottenburger Kriegsfürsorgestelle
- 1915-1916 Leiterin der sozialen Hilfsstelle für belgische Frauen
- 1916-1918 Leiterin der Frauenarbeitszentrale im preussischen Kriegsministerium
- 1918-1922 Studiendirektorin der Niederrheinischen Frauenakademie in Düsseldorf
- 1919-1930 Reichstagsabgeordnete der Deutschen Demokratische Partei (DDP)
- 1919-1922 Vorstandsmitglied des Bundes Deutscher Frauenvereine (BDF)
- 1926 Gründung des Deutschen Akademikerinnenbundes
- 1937 Untersuchungshaft in der JVA Moabit
- 1948-1950 Berliner Stadtverordnete
- 1949-1951 Stadträtin der FDP für das Sozialwesen in Berlin
- 1953-1961 Abgeordnete der FDP im Deutschen Bundestag
- 1958 Alterspräsidentin des Deutschen Juristinnenverbundes
- 1966 Tod
Weiterführende Informationen
- Lüders, Marie-Elisabeth: "Fürchte dich nicht: Persönliches und Politisches aus mehr als 80 Jahren. 1878-1962", Köln 1963.
- Von Kieseritzky, Wolther: "Marie-Elisabeth Lüders. Vorkämpferin für Menschenrechte", in: Friedrich Naumann-Stiftung für die Freiheit (Hrsg.): Public History, Potsdam 2021.
Letzte Aktualisierung: L. Pacozzi.
Verantwortlich: A. Tschentscher.