Vera Poska-Grünthal

Vera Poska-Grünthal, geboren 1898, wird 1926 eine der ersten praktizierenden Juristinnen Estlands.

Hintergrund

Vera Poska-Grünthal ist eine herausragende Persönlichkeit in der estnischen Frauenbewegung sowie eine aktive Journalistin und Juristin. Als Frau ist Poska-Grünthal zu Beginn ihres Studiums nur als Gasthörerin zugelassen. Nach zehn Jahren voller Hindernisse schliesst die Mutter von inzwischen vier Kindern 1925 ihr Jurastudium ab.

Im Berufsleben angekommen, stellt Poska-Grünthal fest, dass die familienrechtlichen Bestimmungen des baltischen Zivilgesetzbuches stark veraltet und lückenhaft sind. Insbesondere fehlen Regelungen zu den Rechten unehelicher Kinder und ihrer Mütter völlig. Für Poska-Grünthal ist es unabdingbar, dass bei der Ausarbeitung eines neuen Gesetzentwurfs eine Juristin hinzugezogen wird. Doch ihre Forderung stösst bei den alteingesessenen Rechtsgelehrten auf heftigen Widerstand. Eine Diskussion über den Inhalt des Zivilgesetzbuches sei einer Frau nicht zuzumuten. Ernüchtert, aber nicht entmutigt zieht sich Vera Poska-Grünthal für einige Zeit aus der Öffentlichkeit zurück und beginnt, die zu jener Zeit modernsten skandinavischen Ehe- und Familiengesetze rechtsvergleichend zu studieren. Unterstützung findet sie schliesslich bei der Estnischen Vereinigung der Universitätsfrauen (EANÜ). Als Ergebnis der gemeinsamen Bemühungen mehrerer estnischer Juristinnen wird 1934 ein Gesetzentwurf für ein modernisiertes Familienrecht fertiggestellt.

Des Weiteren engagiert sich Poska-Grünthal auch in der internationalen Frauenbewegung. Auf einem Pariser Kongress im Jahr 1928 kommt ihr die Idee, eine Organisation zu gründen, um Juristinnen länderübergreifend zu vernetzen und zu stärken. Zu diesem Zweck hängt sie einen Aushang am Schwarzen Brett des Kongresses auf. Tatsächlich erscheinen zum verabredeten Zeitpunkt eine Französin und mehrere Frauen aus Deutschland und Spanien: Die International Federation of Women Lawyers (IFWL) ist geboren. Ziel der Organisation ist es, den Kontakt zwischen den europäischen Juristinnen zu pflegen und Frauen den Zugang zum juristischen Beruf zu erleichtern.

Nach der erneuten sowjetischen Besetzung 1944 emigrieren die Poska-Grünthals nach Schweden. Im Exil widmet sich die Juristin ihrer neuen Leidenschaft: dem Journalismus. Vera Poska-Grünthal stirbt in Stockholm – ihr Wirken ist bis heute nicht angemessen gewürdigt worden.

(Quellen: Wikipedia, Tamul 2006; Bildquelle: Tamul 2006)

Lebensstationen

  • 1898 geboren in Tallinn
  • 1925 Studienabschluss der Rechtswissenschaften an der Universität Tartu
  • 1926-1929 Juristin in der Rechtsberatung der Stadt Tallinn
  • 1927-1935 Anwaltsassistentin
  • 1928 Mitbegründung IFWL (International Federation of Women Lawyers)
  • 1939 Verteidigung Magisterarbeit
  • 1939-1940 Tätigkeit an der Universität Sorbonne in Paris
  • 1944 Emigration nach Schweden
  • 1986 Tod

Weiterführende Informationen

  • Tamul, Sirje: "Vera Poska-Grünthal", in: Francisca de Haan et al. (Hrsg.): A Biographical Dictionary of Women's Movements and Feminisms: Central, Eastern, and South Eastern Europe, 19th and 20th Centuries, Budapest, New York 2006, S. 450-453.

Letzte Aktualisierung: L. Pacozzi. Verantwortlich: A. Tschentscher.