Elise Sem

Elise Sem, geboren 1870, wird 1904 in Norwegen die erste Rechtsanwältin, 1905 die erste Staatsanwältin und 1912 die erste Rechtsanwältin, die vor dem Höchsten Gericht auftreten darf.

Hintergrund

Elise Sem kommt früh mit dem Recht in Kontakt. Sowohl ihr Vater als auch ihr Grossvater sind Anwälte. Nach der obligatorischen Schulzeit arbeitet sie für acht Jahre unter ihrem Vater in einem Amtsgericht. 1897 schreibt sie sich für ein Jurastudium ein. Als sie dieses 1901 abschliesst, steht sie aber offiziell vor verschlossenen Türen. Norwegens Frauen ist es damals nicht erlaubt, höhere juristische Berufe auszuüben oder offizielle Ämter zu bekleiden. Dennoch erhält sie eine Anstellung als beratende juristische Mitarbeiterin in einer Kanzlei und amtet sogar als stellvertretende Richterin im Nachlassgericht von Kristiana (heute: Oslo). Zusammen mit anderen Frauen kämpft Sem gegen diese Abhängigkeit vom Wohlwollen einzelner Gerichte oder Kanzleien. Unterstützt von der Vereinigung der norwegischen Rechtsanwälte wird schliesslich 1904 ein entsprechender Gesetzesvorschlag angenommen. Das Lex Elisiana garantiert Juristinnen Zugang zu sämtlichen juristischen Berufen. Sem öffnet gleichentags ihre eigene Kanzlei.

In den folgenden Jahren schreibt Sem weiter Rechtsgeschichte. 1905 wird sie die erste Staatsanwältin Norwegens und sechs Jahre später erscheint sie als erste Rechtsanwältin vor dem norwegischen Supreme Court. 1912 wird sie offiziell zur Arbeit vor dem höchsten Gericht zugelassen – wiederum als erste Frau. In ihrer Kanzlei stellt sie währenddessen mehrere Frauen an, um deren Karriere zu fördern. 1914 wird sie zudem norwegische Vertreterin in einer skandinavischen Kommission zu Reformen im Familienrecht. Auf Basis dieser Arbeit wird beispielsweise 1927 in einem neuen Ehegesetz die Gleichstellung von Mann und Frau verbessert.

Neben ihrer juristischen Arbeit engagiert sich Sem auch aktiv für Frauen- und Menschenrechte. Sie ist stellvertretendes Vorstandsmitglied der norwegischen Frauenrechtsvereinigung Norsk Kvinnesaksforening und Sekretärin einer Vereinigung gegen den Handel mit versklavten Menschen. 1920 gründet sie, zusammen mit anderen, einen Club für norwegische Akademikerinnen und trägt so zur Vernetzung der (immer noch wenigen) Hochschulabsolventinnen ihrer Zeit bei.

(Quelle: NBL, Wikipedia)

Lebensstationen

  • 1870 geboren in Kristiana (heute: Oslo)
  • 1886-1894 Sachbearbeiterin bei einem Amtsgericht
  • 1901 cand.jur. der Königliche Friedrichs-Universität (heute: Universität Olso)
  • 1902 Beratende Juristin
  • 1903-1904 Stellvertretende Richterin (dommerfullmektig) am Nachlassgericht Kristiania
  • 1904 Eröffnung der eigenen Kanzlei als selbständige Rechtsanwältin (advokater)
  • 1905 Ernennung Staatsanwältin (sakfører)
  • 1912 Zulassung als Rechtsanwältin vor dem Obersten Gericht (høyesterettsadvokat)
  • 1913 Ernennung Verteidigerin (forsvarer) für weibliche Angeklagte am Berufungsgericht in Oslo
  • 1914 Wahl zum Kommissionsmitglied für Reformen im Familienrecht
  • 1950 Tod

Weiterführende Informationen

  • Sem, Elise: "Fra en praktiserende jurist", in: Norske kvinnelige akademikeres landsforbund (Hrsg.): Kvinnelige studenter 1882-1932, Oslo 1932.
  • Støren, Thordis: Justitias døtre: de første kvinnelige jurister, Oslo 1984.
  • Porträt über Elise Sem von Thordis Støren im Norsk Biografisk Leksikon, 2022.

Letzte Aktualisierung: L. Pacozzi. Verantwortlich: A. Tschentscher.