Franca Viola

Franca Viola, geboren 1948, wird 1966 zur Wegbereiterin für die Abschaffung der straffreien Vergewaltigung bei nachfolgender Heirat zwischen Täter und Opfer im italienischen Strafgesetz.

Hintergrund

Obwohl Franca Viola keine Juristin ist, leistet sie Bedeutendes für die rechtliche Gleichstellung italienischer Frauen und die Modernisierung des italienischen Strafrechts. Viola wird als 17-jährige von ihrem Verflossenen Filippo Melodia entführt, nachdem sie sich weigert, sich erneut mit ihm zu verloben. Melodia vergewaltigt sie und drängt sie anschliessend dazu, ihn zu heiraten. Seine Forderung gründet auf der damals in Italien und weltweit verbreiteten Sitte des matrimonio riparatore, der "reparierenden Ehe". Gemäss dieser Sitte kann nur durch eine solche Ehe die "Ehre" des durch die Vergewaltigung "entehrten" Opfers und dessen Familie wiederhergestellt werden. Unterstützt werden Melodia und andere Verfechter*innen dieser Idee vom damaligen italienischen Strafrechtssystem: Artikel 544 des Codice Penale garantiert einem Vergewaltiger Straffreiheit, wenn der Täter nach der Tat sein Opfer heiratet.

Viola aber weigert sich und verklagt ihren Peiniger, obwohl ihre Entscheidung nicht nur für sie, sondern für ihre ganze Familie schwerwiegende Konsequenzen hat: Die Violas werden von der traditionellen sizilianischen Dorfgemeinschaft gemieden und mit dem Tod bedroht. Auf nationaler Ebene hingegen entfacht Violas öffentliche Weigerung und der darauffolgende Strafprozess eine grosse mediale Debatte über den Artikel 544. Weitum wird eine Gesetzesänderung gefordert und Violas Fall wird Gegenstand zahlreicher parlamentarischer Interpellationen. Dennoch dauert es 15 Jahre, bis die Möglichkeit, eine Vergewaltigung durch eine nachfolgende Eheschliessung straffrei zu machen, aus dem italienischen Strafgesetz gestrichen wird. Bis Vergewaltigung als Straftat gegen eine Person (statt gegen die Sittlichkeit) angesehen wird, vergehen weitere 15 Jahre. Melodia wird indes bereits 1966 zu elf Jahren Haft verurteilt. Violas aussergewöhnlicher Einsatz für die Rechte von Frauen wird 2014 mit einem Verdienstorden der Italienischen Republik als Meilenstein der Emanzipation und der rechtlichen Gleichstellung geehrt.

(Quellen: Wikipedia, Corriere della sera; Bildquelle: Wikipedia)

Lebensstationen

  • 1948 geboren in Alcamo (Italien)
  • 1965 Entführung
  • 1966 Prozess gegen Filippo Melodia
  • 2014 Erhalt des Grande ufficiale dell'Ordine al merito della Repubblica italiana

Weiterführende Informationen

  • Boneschi, Marta: Di testa loro: dieci italiane che hanno fatto il Novecento, Milano 2002.

Letzte Aktualisierung: L. Pacozzi. Verantwortlich: A. Tschentscher.