Johanna Kundmann

Johanna Kundmann, geboren 1914, wird 1947 -- neben Gertrud Jaklin -- eine der beiden ersten Richterinnen in der Republik Österreich.

Hintergrund

Johanna Kundmanns Werdegang zeigt die vielen Herausforderungen der (angehenden) ersten Richterinnen. Einerseits stösst Kundmann auf offensichtlich verschlossene Türen: Frauen müssen sich etwa unter der NS-Herrschaft mittels Unterschrift einverstanden zeigen, nach der Grossen Staatsprüfung nicht zu Probediensten als Richterin, Staatsanwältin oder Rechtsanwältin zugelassen zu werden. Das Recht zu wahren sei Sache der Männer -- so die gängige Meinung. Kundmann unterschreibt und wird Referendarin ohne Hoffnung auf eine spätere Anstellung. Nach dem Abschluss stellt sie dennoch einen Antrag auf richterliche Beschäftigung -- mit Erfolg. Aufgrund der akuten (männlichen) Personalknappheit angesichts des Krieges werden Frauen ausnahmsweise in gewissen Rechtsbereichen eingesetzt.

Obwohl sie, wie viele andere, Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der NS-Studentinnen war, wird Kundmann, zusammen mit Gertrud Jaklin, nach dem Krieg eine der ersten Richterinnen der Republik Österreich. Hier zeigen sich nun, andererseits, die vielen impliziten, subtilen Hindernisse, denen sich die damaligen Juristinnen stellen müssen: Kundmann wird beispielsweise in unliebsame Arbeitsbereiche abgeschoben oder bei Beförderungen zugunsten männlicher Kandidaten übergangen. Die Meinung, dass Frauen niemals so gut Recht sprechen könnten wie Männer, hält sich hartnäckig. Kundmann lässt sich davon nicht beeindrucken und arbeitet viele Jahre im Ausserstreit- und Jugendschutzrecht, zuletzt sogar als Vorsteherin eines Bezirksgerichts. Ihr und vielen anderen Pionierinnen ist es zu verdanken, dass sich das Bild der Frau im Recht wandelt und die heutigen Juristinnen auf weniger Vorurteile und Hürden treffen.

(Quellen: Schneider 2013/2017, Korotin/Stupnicki 2018)

Lebensstationen

  • 1914 geboren in Mistelbach (Österreich)
  • 1934-1939 Studium der Rechtswissenschaften an den Universitäten Graz und Wien
  • 1939 Promotion an der Universität Graz
  • 1938 Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der NS-Studentinnen
  • 1939-1943 Gerichtsreferendarin
  • 1943 Grosse Staatsprüfung
  • 1943-1945 Assessorin am Amtsgericht Bad Ischl
  • 1945-1947 Hilfsrichterin am Amtsgericht Bad Ischl
  • 1947-1962 Richterin am Landgericht Linz
  • 1962-1974 Richterin am Bezirksgericht Linz-Lanz
  • 1974-1975 Vorsteherin des Bezirksgerichts Urfahr-Umgebung
  • 2000 Tod

Weiterführende Informationen

  • Schneider, Gabriele: "Richterinnen in Österreich", in: juridikum 2013, 4, S. 496-505.
  • Schneider, Gabriele: "Österreichs Pionierinnen im Richteramt: Zwei biografische Skizzen", in: Beiträge zur Rechtsgeschichte Österreichs 2017, S. 117-131.
  • Korotin, Isle/Stupnicki, Nastasja (Hrsg.): Biografien bedeutender österreichischer Wissenschaftlerinnen, Wien 2018.

Letzte Aktualisierung: L. Pacozzi. Verantwortlich: A. Tschentscher.