Myriam Ezratty

Myriam Ezratty, geboren 1929, wird 1983 die erste Direktorin der französischen Strafvollzugsverwaltung und 1988 die erste Präsidentin des Cour d'appel in Paris.

Hintergrund

Betrachtet man Myriam Ezrattys Lebenslauf wird klar, dass sie gleich in doppeltem Sinne Pionierin des Rechts ist. Einerseits ist sie Vorbild für nachfolgende Juristinnen, andererseits wirkt sie an wichtigen Reformen der französischen Justiz mit.

Nach dem Jurastudium besteht Ezratty 1950 den Concours de la magistrature, die Prüfung für die Aus- und Weiterbildung französischer Richter*innen und Staatsanwält*innen. Sie tritt in den Justizdienst ein und arbeitet bei Staatsanwaltschaften sowie in der Direktion für Zivilsachen im Justizministerium. 1974 wird sie, unter der damaligen Gesundheitsministerin Simone Veil, technische Beraterin im Gesundheitsministerium. Hier arbeitet Ezratty während fünf Jahren an bedeutenden und umkämpften Texten, etwa dem Gesetz zur Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen (1975).

Nach einer zweijährigen Amtszeit als Kammervorsitzende im Pariser Berufungsgericht kehrt Ezratty zurück ins Justizministerium. Sie wird Direktorin der Abteilung Éducation surveillée (heute: Direction de la protection judiciaire de la jeunesse) und zwei Jahre später -- als erste Frau in Frankreich -- Direktorin der Administration pénitentiaire, der französischen Strafvollzugsverwaltung. Auf beiden Posten prägt sie die französische Justiz mit progressiven Reformen. Sie reformiert den Jugendstrafvollzug (von abgelegenen, quasi-militärischen Einrichtungen auf dem Land zu resozialisierenden Institutionen inmitten der Gesellschaft), rückt den Jugendschutz ins Zentrum der Erziehungspolitik und fördert Alternativen zu Haftstrafen. Als Vorstehende der Strafvollzugsverwaltung setzt sie sich für humanere Haftbedingungen, eine anständige Gesundheitsversorgung und vielfältigere Wiedereingliederungsmassnahmen ein. Nach einem Wechsel an der Spitze des Justizministeriums verlässt Ezratty die Behörde und schreibt erneut Justizgeschichte. 1988 wird sie die erste Präsidentin des Appellationsgerichts in Paris, des Cour d'appel de Paris. Hier spricht sie nicht nur Recht, sondern initiiert Reformen zur Modernisierung des Gerichts und seiner Abläufe. Darüber hinaus vernetzt sie das Gericht mit verschiedenen internationalen Partnerschaften innerhalb Europas. 1996 geht Ezratty in den richterlichen Ruhestand. Ihrem Engagement für eine humane, vernetzte und offene Justiz geht sie auch dann nach, u.a. als Vorsitzende der Association des juristes franco-britannique.

(Quellen: Wikipedia, Joly-Coz 2020, Criminocorpus; Bildquelle: Ministère de la Justice)

Lebensstationen

  • 1929 geboren als Myriam Bader in Nizza (Frankreich)
  • Jurastudium an der Université d'Aix-en-Provence
  • 1950 Concours de la magistration und Eintritt in den Justizdienst
  • 1953-1958 Beamtin in den Staatsanwaltschaften Nancy und Paris
  • 1958-1974 Beamtin in der Direction des affaires civiles
  • 1974-1979 Technische Beraterin im Gesundheitsministerium
  • 1979-1981 Kammervorsitzende am Cour d'appel de Paris
  • 1981-1983 Directrice de l'Éducation surveillée
  • 1983-1985 Directrice de l'Administration pénitentiaire
  • 1986-1988 Generalanwältin am Cour de cassation
  • 1988-1996 Präsidentin des Cour d'appel de Paris
  • 1996-1999 Vorsitzende der Association des juristes franco-britanniques
  • 2017 Tod

Weiterführende Informationen

  • Interview mit Myriam Ezratty in der Bibliothek des digitalen Museums Criminocorpus: Musée d'histoire de la justice, des crimes et des peines, 2008.
  • Joly-Coz, Gwenola: "Portrait de Myriam Ezratty", in: Journal Spécial des Sociétés 2020, 24, S. 14-15.

Letzte Aktualisierung: L. Pacozzi. Verantwortlich: A. Tschentscher.