Simone Rozès

Simone Rozès, geboren 1920, wird 1976 die erste Präsidentin des Tribunal de grande instance in Paris und 1984 die erste Präsidentin des französischen Cour de cassation.

Hintergrund

Simone Rozès' Laufbahn in der französischen Justiz beginnt -- nach einem Studium der Rechte, einem Diplom in Privatrecht und Volkswirtschaftslehre und drei Jahren als Rechtsanwältin -- mit dem Concours de la magistrature, der Zulassungsprüfung für den Justizdienst. Der Eintritt in den Justizdienst ist damals für Frauen erst seit Kurzem möglich; die alteingesessenen Richter und Staatsanwälte sind oft skeptisch. Rozès wird ans Berufungsgericht in Bourges geschickt, wo sich ihr Vorgesetzter über sein Pech beklagt, dass gerade ihm eine Frau zugeteilt worden sei.

Rozès wird bereits nach einem Jahr nach Paris ins Justizministerium beordert. Von da an erklimmt sie Stufe um Stufe der Karriereleiter, wobei sie meist die erste Frau auf den entsprechenden Positionen ist. 1958 übernimmt sie die Büroleitung im prestigeträchtigen Kabinett des Justizministers. 1962 wird sie Richterin am Tribunal des grande instance (TGI) in Paris und übernimmt 1969 als erste Frau den Vorsitz über eine Kammer. Hier befasst sie sich insbesondere mit presserechtlichen Fällen und Verleumdungen.

1974 wird sie zurück ins Justizministerium geholt. Ihr Auftrag lautet, Ruhe und Ordnung in die krisengeplagte Abteilung Éducation surveillée zu bringen. Dabei ist sie die erste Abteilungsdirektorin im gesamten Justizministerium. 1976 kehrt sie ans TGI in Paris zurück, dieses Mal als erste Präsidentin des Gerichts. Nachdem sie sich in einem Prozess gegen den damaligen Justizminister stellt, wird sie 1981 nach Luxemburg "befördert". Hier amtet sie als erste Generalanwältin am Cour de justice des Communautés européennes (heute: Gerichtshof der Europäischen Union) und prägt das erst gerade entstehende europäische Recht mit. 1984 erreicht sie schliesslich den Höhepunkt ihrer Karriere: Sie wird zur ersten Präsidentin des prestigeträchtigen Cour de cassation berufen und modernisiert in den Jahren bis zu ihrem Ruhestand das Gericht.

Simone Rozès ist damit eine Pionierin sondergleichen der französischen Justiz. Sie zeigt, dass Frauen es im Justizdienst bis weit nach oben schaffen können.

(Quellen: Joly-Coz 2019, Wikipedia, Criminocorpus; Bildquelle: AFHJ)

Lebensstationen

  • 1920 geboren als Simone Ludwig in Paris
  • 1945 LL.B. und DES in Staatsrecht und Volkswirtschaftslehre
  • 1946-1949 Rechtsanwältin in Paris
  • 1949 Stellvertretende Richterin am Cour d'appel de Bourges
  • 1950-1962 Beamtin im Justizministerium
  • 1958-1962 Büroleiterin im Cabinet du garde des Sceaux im Justizministerium
  • 1962-1973 Richterin am Tribunal de grande instance de Paris
  • 1969-1973 Kammerpräsidentin am Tribunal de grande instance de Paris
  • 1973-1976 Direktorin der Éducation surveillée
  • 1976-1981 Präsidentin des Tribunal de grande instance de Paris
  • 1981-1984 Avocate générale am Cour de justice des Communautés européennes
  • 1984-1988 Präsidentin des Cour de cassation

Weiterführende Informationen

  • Joly-Coz, Gwenola: "Simone Rozès: 'Vous le devez aux femmes' ", in: Journal Spécial des Sociétés 2019, 50, S. 14-15.
  • Interview mit Simone Rozès in der Bibliothek des digitalen Museums Criminocorpus: Musée d'histoire de la justice, des crimes et des peines, 2013.

Letzte Aktualisierung: L. Pacozzi. Verantwortlich: A. Tschentscher.