Clara Brett Martin

Clara Brett Martin, geboren 1874, wird 1897 die erste Rechtsanwältin Kanadas und des gesamten British Empire.

Im Alter von 16 Jahren, mit einem hervorragend abgeschlossenen B.A. in Mathematik in der Tasche, beschliesst Clara Brett Martin, Rechtsanwältin zu werden. Vorbilder hat Martin keine. Frauen erhalten damals erst nach und nach Zugang zu (universitären) Ausbildungen und viele Berufe sind ihnen noch verschlossen, auch in Kanada. Anders als ihre männlichen Kollegen muss Martin daher erst eine Petition einreichen, um an der Law Society of Upper Canada zur Rechtsanwältin ausgebildet zu werden. Die Law Society lehnt aber ab; die generelle Frage der Zulassung von Frauen zu juristischen Berufen müsse auf legislativer Ebene entschieden werden. Progressive Politiker sowie Frauenrechtler*innen engagieren sich daraufhin für eine entsprechende Gesetzesänderung und verbuchen 1892 einen Erfolg: Frauen werden zur Ausbildung als Solicitor (beratende Rechtsanwältin, die selten vor Gericht auftritt) zugelassen. Die Law Society sträubt sich ein weiteres Jahr, lässt Martin dann aber doch zur Ausbildung zu. Sowohl im theoretischen als auch im praktischen Teil der Ausbildung begegnet man der ersten Studentin eher feindlich. Dennoch besteht sie fünf Jahre später als Klassenbeste die Abschlussprüfungen und wird -- nach einer weiteren erkämpften Gesetzesänderung -- nicht nur die erste Solicitor, sondern auch die erste Barrister (Rechtsanwältin vor Gericht) Kanadas und des gesamten British Empires.

Martin setzt ihre Ausbildung fort und schliesst 1897 einen Bachelor of Civil Law und 1899 einen Bachelor of Law ab. In den kommenden Jahren arbeitet sie in verschiedenen Kanzleien sowie als selbständige Rechtsanwältin im Erb-, Familien- und Immobilienrecht. Weiter engagiert sie sich in Frauenorganisationen für das Frauenwahlrecht und kandidiert (erfolglos) für politische Ämter. Aus ihrer geschäftlichen Korrespondenz geht hervor, dass Martins Weltsicht antisemitisch geprägt war. Heute wird ihr Status als Pionierin der Rechtswissenschaft deshalb begleitet von kritischen Stimmen, die Martins progressive feministische Erfolge ihren problematischen antisemitischen Äusserungen gegenüberstellen und eine reflektierte Einordnung anstreben.