Dora Labhart-Roeder

Dora Labhart-Roeder, geboren 1897, erstreitet 1923 vor Bundesgericht, dass Rechtsanwältinnen in allen Schweizer Kantonen vor Gericht auftreten dürfen.

Hintergrund

Frisch promoviert findet Labhart-Roeder zwar bald eine Praktikumsstelle in einer Freiburger Anwaltskanzlei, darf dort aber als Frau ohne Stimm- und Wahlrecht nicht vor Gericht auftreten. Diese Ungerechtigkeit nimmt sie nicht hin. Sie wendet sich an den Kanton, in der Hoffnung um Zulassung. Ihr Gesuch wird jedoch abgeschmettert. Das Volk, so die Begründung, sei überhaupt nicht daran interessiert, dass Frauen juristische Berufe ausübten. Labhart-Roeder lässt sich davon aber nicht beeindrucken und reicht beim Bundesgericht eine staatsrechtliche Beschwerde gegen den Regierungsrat des Kantons Freiburg ein. Sie tritt damit in Emilie Kempin-Spyris Fussstapfen, die 35 Jahre zuvor ähnliches versucht hatte. Anders als Kempin-Spyri ist Labhart-Roeder erfolgreich. Das Bundesgericht beurteilt die frauenfeindlichen kantonalen Regeln als verfassungswidrig; Frauen steht der Weg an die Gerichte offen.

Labhart-Roeder arbeitet den Rest ihres Lebens als Rechtsanwältin, einerseits in der eigenen Kanzlei, andererseits als ausserordentliche Jugendanwältin. Parallel dazu engagiert sie sich ehrenamtlich, zieht zwei Kinder gross und publiziert zu juristischen Fragen und zu Frauenanliegen.

(Quellen: Hommage 2021, Staatsarchiv Thurgau, ThurgauerFrauenArchiv, Schregenberger 2020; Bildquelle: Thurgauer Frauenarchiv)

Lebensstationen

  • 1897 geboren in München (Deutschland)
  • 1915-1920 Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Zürich
  • 1920 Promotion an der Universität Zürich
  • 1921-1922 Substitutin in einer Anwaltskanzlei
  • 1922 Praktikantin und Mitarbeiterin in verschiedenen Anwaltskanzleien
  • 1925 Rechtsanwaltspatent
  • 1928-1992 selbständige Rechtsanwältin
  • 1935-1948 Mitglied im Vorstand des Schweizerischen Gemeinnützigen Frauenvereins SGF
  • 1938 Gründerin des Thurgauischen Gemeinnützigen Frauenvereins
  • 1938-1940 Präsidentin des Thurgauischen Gemeinnützigen Frauenvereins
  • 1953-1958 ausserordentliche Jugendanwältin
  • 1992 Tod

Weiterführende Informationen

  • Büchi, Eva: ""Fräulein Fürsprech": Dr. iur. Dora Roeder", in: Verein Thurgauerinnen gestern -- heute -- morgen (Hrsg.): bodenständig und grenzenlos: 200 Jahre Thurgauer Frauengeschichte(n), Frauenfeld 1998, S. 197-199.
  • Schregenberger, Katrin: "'Fräulein Fürsprech' fordert ihr gutes Recht", in: higgs Magazin, 1. März 2020.

Letzte Aktualisierung: L. Pacozzi. Verantwortlich: A. Tschentscher.