Gerda Meissl

Gerda Meissl, geboren 1913, wird 1959 die erste Staatsanwältin Österreichs.

Hintergrund

Seit der Zulassung der ersten Rechtsanwältin sind 35 Jahre vergangen und die Ernennung der ersten Richterinnen liegt bereits zwölf Jahre zurück als Gerda Meissl 1959 die erste österreichische Staatsanwältin wird. Mit ihrer Ernennung dringen Frauen in eine der letzten Männerbastionen der österreichischen Justiz ein.

Meissls berufliche Laufbahn beginnt, nach dem Rechtsstudium und einem abgebrochenen Gerichtsjahr, als Sekretärin und Mitarbeiterin in der Privatwirtschaft. Nach ein paar Jahren beschliesst sei, Anwältin zu werden, und führt den Gerichtsdienst weiter. Trotz bestandenen Assessorexamens kann sie 1943 die Kanzlei ihres Vaters nicht übernehmen -- ein neuer Erlass des nationalsozialistischen Regimes verbietet die Eintragung von Frauen in die offizielle Anwaltsliste. Stattdessen arbeitet sie als Assessorin (juristische Mitarbeiterin) bei der Staatsanwaltschaft Wien. Zuerst betraut mit Schreibarbeiten führt sie, nach der Erkrankung des ihr vorstehenden Staatsanwaltes, die Abteilung selbständig weiter. Dabei erlebt sie geschlechtsspezifische Diskriminierung, die damals an den Gerichten zum Alltag gehört. Obwohl sie im Hintergrund viele Kompetenzen innehat und gute Arbeit leistet, darf sie nicht an öffentlichen Verhandlungen teilnehmen. Im Gerichtssaal, so die vorherrschende Meinung, hätten Frauen nichts verloren. Nach einer Zeit in Tirol ohne berufliche Erfolge wird sie 1951, zurück in Wien, zur Richterin ernannt. Nun nimmt ihre Karriere Fahrt auf: Sie wird Landesgerichtsrätin und schliesslich 1959 zur ersten österreichischen Staatsanwältin ernannt. Vier Jahre später wird sie zur Oberstaatsanwaltsstellvertreterin befördert. In dieser Position bleibt sie über zehn Jahre, bis zum Ruhestand.

(Quellen: Korotin 2016, Schneider 2018; Bildquelle: Justizministerium via Uni Wien)

Lebensstationen

  • 1913 geboren in Wien
  • 1933-1937 Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Wien
  • 1937 Promotion an der Universität Wien
  • 1938-1940 Sekretärin der Donau-Save-Adria Eisenbahn-Gesellschaft
  • 1940-1941 Mitarbeiterin im Rechtsbüro der Ersten Donau-Dampfschiffgesellschaft
  • 1943 Assessorexamen
  • 1943-1951 Assessorin bei der Staatsanwaltschaft Wien (mit Unterbrüchen)
  • 1951-1955 Richterin im Oberlandesgerichtsprengel Wien
  • 1955-1959 Landesgerichtsrätin
  • 1959-1963 Staatsanwältin bei der Staatsanwaltschaft Wien
  • 1963-1974 Oberstaatsanwaltsstellvertreterin bei der Oberstaatsanwaltschaft Wien
  • 2005 Tod

Weiterführende Informationen

  • Korotin, Ilse (Hg.): biografiA. Lexikon österreichischer Frauen: Band 2 I-O, Wien 2016.
  • Schneider, Gabriele: "Frauen in der österreichischen Staatsanwaltschaft: Ein historischer Rückblick", in: Gerhard Kohl und Ilse Reiter-Zatloukal (Hrsg.): "...das Interesse des Staates zu wahren": Staatsanwaltschaften und andere Einrichtungen zur Vertretung öffentlicher Interessen. Geschichte, Gegenwart, Perspektiven, Wien 2018, S. 303-318.

Letzte Aktualisierung: L. Pacozzi. Verantwortlich: A. Tschentscher.