Gertrud Jaklin

Gertrud Hildegard Jaklin, geboren 1916, wird 1947 -- neben Johanna Kundmann -- eine der beiden ersten Richterinnen in der Republik Österreich.

Hintergrund

Gertrud Jaklins Chancen auf einen Posten als Richterin stehen zu Beginn ihrer juristischen Ausbildung schlecht. Im Dritten Reich muss sie -- wie alle Juristinnen -- vor dem Referendarsdienst unterschreiben, dass ein erfolgreicher Abschluss dieser Ausbildung nicht wie bei den Männern zum richterlichen oder anwaltlichen Probedienst befähigen wird. Dass sie nach bestandener Grosser Staatsprüfung dennoch Assessorin wird und damit erste richterliche Aufgaben übernimmt, ist dem akuten Personalmangel geschuldet. Da die Männer im Krieg sind, ist das reichsdeutsche Regime gezwungen, Frauen ausnahmsweise zu Grundbuch-, Register- und Ausserstreitgerichtsbarkeitssachen zuzulassen.

Im letzteren Bereich wird Jaklin eingesetzt. 1944 übernimmt sie ihren ersten Posten in Wien. Obwohl sie, wie viele andere, während ihres Studiums Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der NS-Studentinnen war, wird sie 1947 -- zusammen mit Johanna Kundmann -- offiziell eine der beiden ersten Richterinnen in der neu errichteten Republik Österreich. Öffentlich anerkannt sind Richterinnen zu diesem Zeitpunkt aber kaum: Ein Talar wird ihnen verwehrt -- sie sollen möglichst unsichtbar arbeiten -- und die Presse erwähnt die historische Ernennung nur am Rande. Jaklin lässt sich davon nicht beeindrucken und begegnet dem herrschenden Sexismus mit hervorragender Arbeit. Dabei bleibt sie der Aussersteitgerichtsbarkeit rund 30 Jahre lang treu und macht sich als Expertin weitum einen Namen.

(Quellen: Wikipedia, Schneider 2017, Korotin/Stupnicki 2018; Bildquelle: Justizministerium via Uni Wien)

Lebensstationen

  • 1916 geboren als Gertrud Sollinger in Wien
  • 1937-1942 Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Wien
  • 1940 Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der NS-Studentinnen
  • 1940 Gerichtsreferendarin
  • 1942 Promotion an der Universität Wien
  • 1944 Grosse Staatsprüfung
  • 1944-1947 Assessorin am Amtsgericht Wien
  • 1947-1970 Richterin am Landgericht für Zivilrechtssachen, am Jugendgerichtshof und am Bezirksgericht Innere Stadt in Wien
  • 1970-1974 Stellvertretende Vorsteherin am Bezirksgericht Innere Stadt
  • 1974-1976 Senatsvorsitzende am Landesgericht für Zivilsachenrecht Wien
  • 1998 Tod

Weiterführende Informationen

  • Schneider, Gabriele: "Richterinnen in Österreich", in: juridikum 2013, 4, S. 496-505.
  • Schneider, Gabriele: "Österreichs Pionierinnen im Richteramt: Zwei biografische Skizzen", in: Beiträge zur Rechtsgeschichte Österreichs 2017, S. 117-131.
  • Korotin, Isle/Stupnicki, Nastasja (Hrsg.): Biografien bedeutender österreichischer Wissenschaftlerinnen, Wien 2018.

Letzte Aktualisierung: L. Pacozzi. Verantwortlich: A. Tschentscher.