Lee Tai-Young
Lee Tai-Young, geboren 1914, wird 1946 die erste Jurastudentin und 1952 die erste Rechtsanwältin Koreas.
Hintergrund
Lee Tai-Youngs Ausbildung zur Rechtsanwältin findet unter widrigsten Umständen statt. Zum Ersten ist Tai-Young zu diesem Zeitpunkt bereits über dreissig Jahre alt, hat vier Kinder und sollte sich gemäss den damaligen Traditionen primär um den Haushalt kümmern. Zweitens erschweren erst die japanische Besetzung Koreas sowie anschliessend der Koreakrieg Tai-Youngs juristische Ausbildung. Drittens sind Frauen erst ab 1948 offiziell zum Jurastudium zugelassen – vorher kommt Tai-Young nur inoffiziell zu rechtswissenschaftlichem Wissen. Allen Herausforderungen zum Trotz verfolgt Tai-Young ihren Traum und schreibt sich so bald als möglich für das Rechtsstudium ein. Ihr Vorhaben hat Erfolg: 1952 erlangt sie als erste Frau in Korea die Zulassung zur koreanischen Rechtsanwaltskammer.
Als Rechtsanwältin in der eigenen Kanzlei wird Tai-Young jeden Tag mit dem Elend koreanischer Frauen konfrontiert. Daraufhin eröffnet sie 1957 ein Zentrum für Rechtsberatung für Frauen, welches genau solche Klientinnen beraten sollte. Damit leistet sie erneut Pionierarbeit: Ihr Zentrum ist das erste niederschwellige Rechtshilfeangebot des Landes. Neben der Arbeit im Rechtshilfezentrum engagiert sich Tai-Young für Reformen des koreanischen Familienrechts und macht sich so als Frauenrechtlerin einen Namen. Während acht Jahren doziert sie zudem an ihrer ehemaligen Universität Recht und Politikwissenschaften. 1976 wird ihre Karriere unterbrochen, da sie und ihr Ehemann politisch aktiv sind und zu Staatsfeinden erklärt werden. Tai-Young widmet sich vermehrt dem schriftlichen Kampf für Frauenrechte und publiziert zahlreiche Bücher über Frauen im Recht, die teilweise international ausgezeichnet werden. Auch ihr Beitrag für den breiten Zugang zu rechtlichen Informationen wird mehrfach mit Ehrendoktortiteln und Preisen gewürdigt. Damit ist sie bis heute eine zentrale Figur der koreanischen Rechtsgeschichte, deren Erfolg bei den Rechtsanwaltsexamen als Startschuss der juristischen Gleichstellung in Korea gilt.
Lebensstationen
- 1914 geboren in Pukjin (heute: Nordkorea)
- 1936 B.Econ. der Ewha Womans University in Seoul
- 1936-1949 diverse Tätigkeiten, Kinderbetreuung und Jurastudium
- 1949 LL.B. der Seoul National University
- 1952 Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
- 1952-1976 Rechtsanwältin
- 1957 Eröffnung des Women's Legal Counseling Centers
- 1963-1971 Professorin und Dekanin des College of Law and Political Science an der Ewha Womans University
- 1975 Erhalt des Ramon Magsaysay Awards (auch: Asian Peace Prize)
- 1978 Erhalt des International Legal Aid Awards
- 1998 Tod
Weiterführende Informationen
- Reid Strawn, Sonia: Where There Is No Path: Lee Tai-Young – Her Story, Seoul 1988.
- Kim, Haesook: "Lee Tai-Young (1914-1998): The Pioneer Woman Lawyer of South Korea", in: Ulrike Schultz und Gisela Shaw (Hrsg.): Women in the World's Legal Professions, Oxford 2003, S. 451-465.
- Kim, Haesook: "Changes in Gender Composition and the Future of Gender Balance in the Legal Professions in Korea", in: Miyazawa, Setsuo et al. (Hrsg.): East Asia's Renewed Respect for the Rule of Law in the 21st Century: The Future of Legal and Judicial Landscapes in East Asia, Leiden/Boston 2015, S. 173-192.
Letzte Aktualisierung: L. Pacozzi.
Verantwortlich: A. Tschentscher.