Otīlija Kempele

Otīlija Kempele, geboren 1893, wird 1929 die erste Anwältin von Lettland.

Hintergrund

Die Lettländerin Otīlija Kempele absolviert ihr Rechtsstudium im Russischen Reich an der Moskauer Universität und schliesst dieses im Jahr 1916 ab. Ein gewagtes Unterfangen, zumal Kempele keine Gewissheit darüber hat, ob sie als Frau eine berufliche Perspektive haben wird. Denn erst im Jahr 1917 wird den Frauen das Recht gewährt, sich als Anwaltsassistentinnen vereidigen zu lassen.

Nach der völkerrechtlichen Anerkennung der Unabhängigkeit Lettlands 1921, kehrt Kempele in ihre Heimat zurück. Dort angekommen, trägt sie sofort und voller Tatendrang zu Lettlands Entwicklung als Rechtsstaat bei. Sie ist Kommissionsmitglied zur Revision des lettischen Strafrechts.

1922 erfolgt Kempeles Aufnahme als Anwaltsassistentin in die lettische Anwaltskammer. Die Voraussetzung für einen späteren Aufstieg zur Anwältin ist eine mindestens fünfjährige Tätigkeit als Assistentin. 1929 wird Kempele als erste Anwältin Lettlands vereidigt. Über mehrere Jahre hinweg bleibt sie die einzige weibliche Vertreterin ihres Berufsstandes. Ihr Tätigkeitsschwerpunkt ist das Scheidungs- und Unterhaltsrechts. Kempele ist nicht nur mit Herzblut Anwältin, sondern darüber hinaus auch sozial und politisch engagiert. So ist sie Mitglied der Partei "Demokratisches Zentrum", für die sie sich – wenngleich erfolglos – an Kommunal- und Parlamentswahlen aufstellen lässt. Des Weiteren zählt sie zu den Mitbegründerinnen des Verbandes akademisch gebildeter Frauen, dessen Ziel die Vernetzung und Stärkung lettischer Akademikerinnen ist.

Während des Zweiten Weltkriegs wird ihr sowohl von der sowjetischen als auch von der nationalsozialistischen Besatzung gestattet, ihre Tätigkeit als Anwältin weiter verfolgen zu dürfen. Kempele flieht jedoch 1944 in die USA und bleibt dort bis zu ihrem Tod 1990 in Minnesota.

(Quellen: Womage.lv, Jurista Vārds 2020; Bildquelle: Womage.lv via Lettisches Staatsarchiv für Filmfotodokumente)

Lebensstationen

  • 1893 geboren in Rundāles pagasts (Lettland)
  • 1912-1916 Jurastudium an der Universität Moskau
  • 1916-1921 Rechtsberaterin in Kiew
  • 1921 Rückkehr nach Lettland
  • 1921-1929 Beamtin im Justizministerium in Riga
  • 1922 Vereidigung als Anwaltsassistentin
  • 1928 Gründung des Verbands akademisch gebildeter Frauen Lettlands (Latvijas akadēmiski izglītoto sieviešu apvienība)
  • 1928-1933 Rechtsberaterin beim lettischen Mieter*innenverband
  • 1929 Vereidigung als Anwältin
  • 1929-1934 Mitglied der Partei “Demokratisches Zentrum”
  • 1944 Emigration in die USA
  • 1990 Tod

Weiterführende Informationen

  • Osipova, Sanita: "The First Women in Justice of the Republic of Latvia (1918–1940)", in: Právněhistorické studie 2024 (54/2), S. 41-51.
  • Kalnina, Vija: "Otīlija Ķempele un Olga Dzelzīte: Latvijas pirmās advokātes", in: Jurista Vārds 2020, 12 (1122).

Letzte Aktualisierung: L. Pacozzi. Verantwortlich: A. Tschentscher.