Margrith Bigler-Eggenberger

Margrith Bigler-Eggenberger, geboren 1933, wird 1966 die erste Rechtsdozentin der Universität St. Gallen und 1974 die erste Bundesrichterin der Schweiz.

Hintergrund

Die Wahl von Bigler-Eggenberger ans oberste Gericht der Schweiz, drei Jahre nach der Einführung des Frauenwahl- und Stimmrechts, ist ein besonderes historisches Ereignis, das von der Schweizer Öffentlichkeit kontrovers aufgenommen wird. Sowohl ihre Wahl zur ersten Ersatzrichterin 1972 als auch die Wahl zur ordentlichen Bundesrichterin 1974 werden von sexistischem Protest und Vorurteilen – Frauen seinen unfähig, emotional und gehörten heim zur Familie statt ans Gericht – begleitet. In den Jahren zuvor arbeitet Bigler-Eggenberger als Gerichtsschreiberin, Anwältin und Sozialversicherungsrichterin. Bereits hier begegnen ihr, wie vielen damaligen Juristinnen, zahlreiche Hürden: als verheiratete Frau braucht sie beispielsweise eine Ausnahmebewilligungen für die Anwaltsprüfung und erhält keinen Lohn während des Gerichtspraktikums. Auch am Bundesgericht trifft Bigler-Eggenberger auf ein raues Klima. Kollegen weigern sich, mit ihr zu sprechen; sie wird auf ihr Äusseres reduziert. Dazu kommen formale Schwierigkeiten. Bigler-Eggenberger trotzt alledem – und bleibt 17 Jahre lang die einzige Richterin am Bundesgericht.

Bigler-Eggenberger kann auf wegweisende Urteile zurückblicken: Als Ersatzrichterin trägt sie etwa dazu bei, dass Prostitution als Berufstätigkeit definiert wird. 1977 führt sie zudem den schweizweit ersten Lohngleichheitsprozess. Neben der Arbeit als Richterin publiziert sie u.a. zur Gleichstellung von Mann und Frau, zum Eherecht und zur Lohngleichheit. In vielen Publikationen fordert sie Reformen und Revisionen, etwa des Familienrechts im ZGB – oft als eine der ersten. Mit ihrem Engagement treibt sie die Gleichstellung der Schweizer Frauen ein Leben lang massgeblich voran – und mahnt stets, man dürfe die Augen vor faktischer Ungleichheit trotz formaler Gleichstellung nicht verschliessen.

(Quellen: HLS, Wikipedia, Rosa Luxemburg Stiftung, Humanrights.ch, Bigler-Eggenberger 2007, Leuzinger 2022; Bildquelle: Humanrights.ch)

Lebensstationen

  • 1933 geboren als Margrith Eggenberger in Niederuzwil (Schweiz)
  • 1959 kriminologische Promotion an der Universität Zürich
  • 1961 Anwaltspatent
  • 1961-1966 Rechtsanwältin und Gerichtsschreiberin in Biel und Solothurn
  • 1966 Wahl zur Richterin am Sozialversicherungsgericht des Kantons St. Gallen
  • 1966 Wahl zur Dozentin für Sozialversicherungsrecht an der Universität St. Gallen
  • 1972 Wahl zur Ersatzbundesrichterin
  • 1974-1994 Bundesrichterin
  • 1994 Ehrendoktorwürde der Universität St. Gallen
  • 2003 Ehrendoktorwürde der Universität Fribourg
  • 2001 Mitgründerin der Vereinigung Juristinnen Schweiz
  • 2004 Mitstifterin FRI Schweizerisches Institut für feministische Rechtswissenschaft und Gender Law
  • 2022 Tod

Weiterführende Informationen

  • Bigler-Eggenberger, Margrith: Justitias Waage – wagemutige Justitia? Die Rechtsprechung des Bundesgerichts zur Gleichstellung von Frau und Mann, Genf/Basel/München 2003.
  • Widmer, Marina/Witzig, Heidi (Hrsg.): blütenweiss bis rabenschwarz. St. Galler Frauen – 200 Porträts, Zürich 2003.
  • Bigler-Eggenberger, Margrith: "Die erste Richterin am Bundesgericht: Allein unter Richtern", in: Revital Ludewig et al. (Hrsg.): Zwischen Recht und Gerechtigkeit, Bern 2007, S. 1-21.
  • Leuzinger, Susanne: "Wegbereiterin für alle Juristinnen: Margrith Bigler-Eggenbeger, erste Bundesrichterin, ist tot", in: Neue Zürcher Zeitung, Ausgabe vom 21.09.2022, S. 9.

Letzte Aktualisierung: L. Pacozzi. Verantwortlich: A. Tschentscher.