Emily Murphy

Emily Ferguson Murphy, geboren 1868, wird 1916 die erste Richterin Kanadas und gründet 1927 die einflussreiche Frauenrechtsvereinigung The Famous Five.

Hintergrund

Emily Murphys feministisches Engagement beginnt erst in ihrer zweiten Lebenshälfte -- führt dann aber zu aussergewöhnlichen Erfolgen. Geboren in eine gutsituierte und progressive Familie erhält sie zwar eine gute Ausbildung, kümmert sich aber nach der Heirat, als Mutter von vier Kindern, primär um den Haushalt. Daneben betätigt sie sich zeitweise als Journalistin und Schriftstellerin. Als die Kinder älter und unabhängiger sind, hat Murphy Zeit für anderes. Sie startet informelle Gruppen für Frauen und äussert sich öffentlich über die prekären Lebensbedingungen von Frauen und Kindern. Nach und nach taucht sie ein in den feministischen Aktivismus und verbucht 1916 einen ersten weitreichenden Durchbruch: Sie bringt vor der Legislativversammlung von Alberta den Dower Act durch, der Frauen ein Drittel des Besitzes ihres Ehemannes zuspricht. Bis dahin sind verheiratete Frauen in Alberta rechtlich eigentumslos und vollständig vom Wohlwollen ihres Ehemannes abhängig. Im selben Jahr kämpft sie beim Generalstaatsanwalt von Alberta dafür, dass Verhandlungen mit weiblichen Beschuldigten vor geschlechtergemischten Gerichten durchgeführt werden. Auch hier hat Murphy Erfolg -- und wird im Anschluss zur ersten weiblichen Richterin ernannt.

Murphy ist damit die erste Frau im gesamten British Empire, die Recht spricht -- dazu noch ohne juristische Ausbildung. Die Proteste lassen nicht lange auf sich warten; ihre Urteile werden etwa von Rechtsanwälten angefochten. Die Argumentation: Frauen seien laut dem British North America Act von 1867 aus rechtlicher Sicht keine Personen; ihre Urteile seien damit nicht gültig. Murphy nimmt die Herausforderung an. Zehn Jahre später unterzeichnet sie mit Nellie McClung, Louise McKinney, Henrietta Edwards und Irene Parlby eine entsprechende Petition zur Klärung der weitreichenden Auslegungsfrage. Der kanadische Supreme Court beantwortet den Persons Case im ursprünglichen Sinne. Erst das Judicial Committee on the Privy Council (die damals höchste Gerichtsinstanz des British Empire ausserhalb der britischen Inseln) stellt 1929 klar: auch Frauen sind Personen. Der Erfolg der Famous Five hat auch jenseits der Justiz bahnbrechende Folgen: Frauen können seither u.a. Senatorinnen und damit Teil der kanadischen Regierung werden.

Während Murphys energischer Kampf für die rechtliche Gleichstellung seither weitum gewürdigt wird, erscheinen andere ihrer Ansichten aus heutiger Sicht höchst problematisch. Murphy setzt sich, neben ihrem feministischen Engagement, politisch für die Zwangssterilisation von Menschen mit geistiger Beeinträchtigung ein und vertritt auch rassistische Positionen. Die nötige Diskussion, wie Murphys Äusserungen zu interpretieren sind, dauert bis heute an.

(Quellen: Famous5 Foundation, McLaren 1996, Sharpe/McMahon 2008; Bildquelle: Famous5)

Lebensstationen

  • 1868 geboren in Cookstown (Kanada)
  • 1887 Heirat
  • 1908-1933 Frauenrechtlerin
  • 1916 Ernennung zur Richterin
  • 1933 Tod

Weiterführende Informationen

  • Mander, Christine: Emily Murphy: Rebel -- First Female Magistrate in the British Empire, Toronto 1985.
  • McLaren, John: "Emily Ferguson Murphy (1868-1933)", in: Rebecca Mae Salokar und Mary L. Volcansek (Hrsg.): Women in Law: A Bio-bibliographical Sourcebook, Westport/London 1996, S. 190-201.
  • Sharpe, Robert J./McMahon, Patricia I.: "First of the Five", in: Robert J. Sharpe und Patricia I. McMahon: The Persons Case: The Origins and Legacy of the Fight for Legal Personhood, Toronto 2008, S. 16-36.

Letzte Aktualisierung: L. Pacozzi. Verantwortlich: A. Tschentscher.