Martha Mosse

Martha Mosse, geboren 1884, wird 1926 die erste Polizeirätin in Preussen.

Hintergrund

Martha Mosse ist eine queere jüdische Juristin und die erste Frau, die in Preussen zur Polizeibeamtin des Höheren Dienstes ernannt wird. Sie ist in den 1920er Jahren in der Frauenbewegung aktiv und fordert als überzeugte Abolitionistin eine bessere polizeiliche Behandlung von Prostituierten.

Mosse entstammt einer gut situierten Familie und verbringt wegen der Berufstätigkeit ihres Vaters einen Teil ihrer Kindheit in Japan. Zurück in Deutschland geniesst sie eine gute Bildung: Nach dem Besuch der Sozialen Frauenschule beginnt sie ein Musikstudium, das sie allerdings mangels musikalischer Begabung abbricht. Erst mit 32 Jahren entdeckt sie ihr Interesse an der Rechtswissenschaft und beginnt als Gasthörerin juristische Vorlesungen zu besuchen. Nach ihrer Promotion ereilt Mosse 1922 der Ruf ins berlinische Polizeipräsidium, wo sie als Polizeifürsorgerin im Bereich des Jugendschutzes eingesetzt wird. Der Weg zur Polizistin ist lang – doch 1926 erreicht sie schliesslich ihren beruflichen Meilenstein und wird zum ersten weiblichen Polizeirat berufen.

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten verliert Mosse wegen ihrer jüdischen Herkunft ihren Posten. Daraufhin übernimmt sie die Leitung der Wohnungsberatungsstelle der Jüdischen Gemeinde Berlin (JGB). Hierbei wird sie von der Gestapo gezwungen, bei Deportationen mitzuwirken. Trotz des grossen inneren Konflikts entschliesst sie sich schliesslich zur Mithilfe, da sie befürchtet, dass andernfalls die Massnahmen noch brutaler durch die Gestapo selbst durchgeführt werden.

1943 wird Mosse von ihrer nicht-jüdischen Lebensgefährtin getrennt und nach Theresienstadt deportiert. Sie überlebt das Ghetto und kehrt 1945, stark geschwächt von der Gefangenschaft, zurück. Nach Kriegsende wird Mosse der Zusammenarbeit mit der Gestapo bezichtigt. Jedoch deuten Hinweise darauf hin, dass diese Kooperationsvorwürfe von homophoben Motiven geprägt sind und Mosse als lesbische Frau besonders ins Visier gerät. Mosse plant, ins Exil in die USA zu gehen. Doch der Plan scheitert, da ihre Lebenspartnerin kein Visum erhält. So entscheidet sich das Paar für ein Leben in Berlin, wo Mosse bis zur Pensionierung bei der Berliner Kriminalpolizei tätig ist.

Lebensstationen

  • 1884 geboren in Berlin
  • Soziale Frauenschule in Berlin (Vorläuferin der heutigen Alice Solomon Hochschule Berlin)
  • 1907-1910 Musikstudium in Gesang am Konservatorium
  • 1915-1917 Geschäftsführerin der Organisation zum Schutze der aufsichtslosen Kinder in Berlin
  • 1916-1920 Jurastudium an den Universitäten Berlin und Heidelberg
  • 1920 Promotion an der Universität Heidelberg
  • 1920 Rechtsreferendarin am Amtsgericht Berlin-Schöneberg
  • 1921-1922 juristische Hilfskraft im Preussischen Wohlfahrtsministerium
  • 1922-1926 Polizeifürsorgerin im Berliner Polizeipräsidium
  • 1926 Ernennung zur Polizeirätin
  • 1933 Verweis aus dem Polizeidienst
  • 1934-1943 Leiterin der Wohnungsstelle bei der Jüdischen Gemeinde Berlin
  • 1943-1945 KZ Theresienstadt
  • 1948-1953 Kriminalpolizei Berlin
  • 1977 Tod

Weiterführende Informationen

  • Wagner, Elisabeth: "Martha Mosses juristische Profession. Leben und Überleben in Deutschland", in: Elisabeth Wagner (Hrsg.): Die Mosse-Frauen. Deutsch-Jüdische Lebensgeschichten, Göttingen 2024, S. 119-204.
  • Kurzbiografie Charlotte Ritters reale Kolleginnen: Polizeirätin Martha Mosse und Kriminalrätin Friederike Wieking von Bianca Walther, im Blog "Frauen von damals", 2020.

Letzte Aktualisierung: J. Niederberger. Verantwortlich: A. Tschentscher.